Ungarn aktuell

5 Fragen, 5 Antworten. Dr. Roland Felkai, Partner, Steuerberater, und seit 16 Jahren Niederlassungsleiter in Budapest bei Rödl & Partner, gibt eine Einschätzung zur aktuellen Lage für deutsche Unternehmen in Ungarn.
 

Ungarn nach der Wahl – wie ist die derzeitige politische Situation einzuschätzen?

Durch den erneut deutlichen Wahlerfolg sieht Ministerpräsident Orbán sich und seine Politik bestätigt. Beachtenswert und den Besonderheiten des ungarischen Wahlrechts geschuldet ist die Tatsache, dass die Regierungspartei 2/3 der Parlamentssitze erhält, dafür aber „nur” 45 % der Wählerstimmen für sich gewinnen musste. Bemerkenswert ist ferner, dass neben der nationalkonservativen Regierungspartei noch die rechtsextreme „Jobbik” weitere Parlamentssitze erhalten hat, und nunmehr also rund 78 % der Parlamentssitze auf nationalkonservative bis offen rechtsradikale Abgeordnete entfallen. 
 
Die Orbán-Regierung wird sicherlich den Weg der Konsolidierung des Staatshaushaltes weitergehen. Spannend zu beobachten bleibt, auf wessen Kosten diese Konsolidierung durchgeführt werden wird. Bislang geschah dies zum Nachteil
  • der einkommensschwachen Bevölkerungsteile und
  • ausgewählter Branchen aufgrund der Unternehmensbesteuerung durch Sondersteuern.
   

Wie würden Sie das Investitionsklima beschreiben?

Das Investitionsklima hat in der letzten Legislaturperiode etwas gelitten, da das Parlament wiederkehrend Gesetze an der Grenze zur Rechtsstaatlichkeit beschlossen hat, die sich dann im Nachgang als nicht verfassungskonform oder nicht europarechtskonform erwiesen haben. Jüngstes Beispiel ist das Urteil des EuGH vom Februar diesen Jahres in Sachen Hervis, in dem die Sondersteuer wegen ihrer Diskriminierung ausländischer Unternehmen als nicht EU-konform beanstandet wurde. 
 
So bedauerlich diese Entwicklungen auch sind, so setzt sich doch immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Regierung ausländische Investoren insgesamt durchaus gerne ins Land holen möchte. So seltsam es klingt, aber objektiv gesehen herrschen in Ungarn mittlerweile weitgehend stabile und verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen für Investitionen. Auch die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen sind absolut wettbewerbsfähig und, offen gesagt, besser als je zuvor in den letzten 20 Jahren. Noch nie gab es so niedrige Ertragsteuersätze in Ungarn wie derzeit. Das leichte Wirtschaftswachstum im Q4/2013 und Q1/2014 stimmt zudem optimistisch, dass die Rezession endgültig überwunden ist. Ungarn bleibt auch als Produktionsstandort für ausländische Investoren hochinteressant, bspw. im Automotive-Sektor, der sich inzwischen neben den Branchen Maschinenbau und verarbeitende Industrie zu einem wahren Zugpferd entwickelt hat.
 

Herr Dr. Felkai, am 7. Mai 2014 wurden Sie in den Vorstand der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer gewählt. Warum sollten sich (deutsche) Unternehmen in Ungarn ansiedeln – was macht Ungarn so besonders?

Ungarns geografische Lage mit guten Verkehrsverbindungen machen das Land als Drehscheibe zwischen Mittel- und Südosteuropa interessant. Gerade deutsche Unternehmen genießen einen sehr guten Ruf als verlässlicher Arbeitgeber, deutsche Sprachkenntnisse sind verbreitet. Technisch sehr gut ausgebildetes Personal gepaart mit einem vertretbaren Lohnkostenniveau sind noch immer zwei sehr gewichtige Argumente für den Standort Ungarn.
 

Welche Erfahrungen machen deutsche Unternehmen momentan in Ungarn?

Deutsche Unternehmen in Ungarn verzeichnen nach wie vor eine stabile Auftragslage und sind ein attraktiver Arbeitgeber für ungarische Mitarbeiter. 
 
Korruption ist leider weiterhin ein Thema. Immer wieder entsteht der Eindruck, dass ausgewählte (häufig ungarische) Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen oder der Vergabe von Fördermitteln bevorzugt werden. 
 

Welche 3 Tipps würden Sie deutschen Unternehmen mit auf den Weg geben?

1.
  

 
Bauen Sie ein funktionierendes Controlling auf, da die Finanzbehörden, insbesondere im Falle von Betriebsprüfungen, sehr streng und restriktiv vorgehen können.
2.
 

 ​
Überlassen Sie die alleinige Geschäftsführung nicht einem lokalen Geschäftsführer, sondern kontrollieren Sie ihn durch einen Aufsichtsrat oder einen zweiten (deutschen) Geschäftsführer.
 
3.
 

 ​
Lassen Sie vor der Gründung einer Tochtergesellschaft die sich in Ungarn bietenden steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten nicht ungenutzt, Halbierungen der Gesamtsteuerlast bei sachkundiger Strukturierung sind keine Seltenheit. ​
 
zuletzt aktualisiert am 09.05.2014
Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu