Flucht vor der AGB-Kontrolle? – BGH zur Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung

​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 20. November 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 


Die AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr steht seit jeher in der Kritik. Gerade im B2B-Bereich wird sie vielfach als unnötige Beschneidung der Vertragsfreiheit empfunden mit der Folge, dass deutsches Recht bei internationalen Vertragsverhandlungen häufig weniger attraktiv wirkt, als es eigentlich müsste.  Die gerichtliche AGB-Kontrolle kann dazu führen, dass vertragliche Bestimmungen, die bewusst von gesetzlichen Vorgaben abweichen, für unwirksam erklärt werden. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass viele Unternehmen ein starkes Interesse daran haben, das deutsche AGB-Recht so weit wie möglich auszuklammern.


Diese Thematik hatte auch den BGH Anfang diesen Jahres beschäftigt. Der gefasste Beschluss vom 9.1.2025 – I ZB 48/24 – stieß dabei auf großes Interesse in der Fachwelt. Gegenstand der Entscheidung war unter anderem die Frage, ob die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung grundsätzlich von der Frage der Wirksamkeit sonstiger vertraglicher Regelungen der Parteien – wie dem Ausschluss des AGB-Rechts bei deutscher Rechtswahl – zu trennen ist.

 

Der vorliegende Beitrag greift die zentralen Überlegungen des BGH auf und beleuchtet, wo Unternehmen künftig größere Rechtssicherheit erwarten können.


Hintergrund der Entscheidung

Anlass der Überprüfung durch den BGH war ein Fall, in dem zwei deutsche Unternehmer einen ​Bauvertrag über ein Bauvorhaben in den Niederlanden geschlossen hatten. Der Vertrag enthielt unter anderem eine Klausel zur Vertragsstrafe, wonach bei Überschreitung der Vertragsfristen eine Vertragsstrafe von bis zu 10 % der Netto-Auftragssumme fällig werden sollte. Der von einer Partei formulierte Vertrag sah zunächst unter Ziffer 28.1 vor, dass der Vertrag selbst sowie sämtliche für ihn geltenden Vertragsbedingungen deutschem Recht unterliegen sollten.

In Ziffer 28.3 enthielt der Vertrag zudem eine Schiedsklausel mit (unter Anderem) folgendem Wortlaut: 


„(i) Alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über dessen Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden. (…)

(v) Das in der Sache anwendbare Recht ist unter Klausel 28.1 geregelt. Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, auf die Berufung der Anwendung der §§ 305 bis 310 BGB zu verzichten.“

 

Mit einer Schiedsklage vom 04.07.2022 machte die Auftragnehmerin zunächst Werklohnansprüche gegenüber der Auftraggeberin geltend. Diese wies die Ansprüche zurück und machte ihrerseits im Wege der Widerklage Mängel-, Verzugs- und Vertragsstrafenansprüche geltend.

 

Daraufhin wandte sich die Auftragnehmerin und Antragstellerin im Oktober 2023 an das Kammergericht Berlin und beantragte die Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens. Sie war der Ansicht, die Vertragsstrafenregelung sei nach der Rechtsprechung des BGH überhöht und damit unwirksam. Angesichts der Klausel in Nr. 28.3 (v), wonach das Schiedsgericht keine AGB-Kontrolle vorzunehmen haben, drohe ihr die Gefahr, dass das Schiedsgericht die Vertragsstrafenregelung anwende, obwohl diese gegen AGB-Recht verstoße. Dies führe – so die Antragstellerin – zur Unwirksamkeit der gesamten Schiedsvereinbarung.


Kernaussagen des BGH

Sowohl das erstinstanzliche Kammergericht als auch der BGH sahen den Antrag als unbegründet und die vereinbarte Schiedsklausel als wirksam an. Der BGH stellte im konkreten Fall klar, dass die Wirksamkeit der Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit in Nr. 28.3 (i) nicht von der Wirksamkeit der in Nr. 28.3 (v) des Vertrags enthaltenen Regelung, auf die Anwendung der §§ 305 bis 310 BGB zu verzichten, abhänge.

 

Eine mögliche Unwirksamkeit der Regelung in Nr. 28.3 (v) berühre nicht die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung in Nr. 28.3 (i), und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Klausel in Nr. 28.3 (v) um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handle oder nicht. Die Regelung unter Nr. 28.3 (v) des Vertrags sei nicht Bestandteil der eigentlichen Schiedsklausel in Nr. 28.3 (i), sondern stelle eine besondere Verfahrensvereinbarung der Parteien dar. Die grundsätzliche Entscheidung der Parteien für die Schiedsgerichtsbarkeit hänge nicht von anderen Regelungen und deren Wirksamkeit ab. Es sei gerade nicht ersichtlich, dass die von den Parteien bereits im Vorfeld des Vertragsabschlusses diskutierte Schiedsklausel unter Nr. 28.3 (i) vom Bestehen anderer Verfahrensregelungen habe abhängig gemacht werden sollen.

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Selbst wenn es sich bei Nr. 28.3 insgesamt um AGB handeln sollte, stünde dies der Wirksamkeit der Schiedsklausel in Nr. 28.3 (i) nicht entgegen. Die formularmäßige Schiedsklausel im unternehmerischen Verkehr unterläge dann zwar der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, hielte aber einer solchen stand, da die Schiedsvereinbarung keine unangemessene Benachteiligung der anderen Vertragspartei darstelle.

 

Die Rechtsfolgen einer (teilweisen) Unwirksamkeit des Ausschlusses der §§ 305-310 BGB durch Nr. 28.3 (v) wären bei Vorliegen von AGB nach dem Maßstab des § 306 BGB beurteilen. Dieser lege fest, dass der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind. Nur wenn der fortwährend als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll erscheine, würde die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel infizieren. Dies trifft insbesondere zu, wenn die Unwirksamkeit des Klauselteils so gravierende Folgen hätte, dass die bisherige Vertragsgestaltung in wesentlichen Punkten neu gefasst werden müsste.

 

Lege man diesen Maßstab an, hätte die Schiedsvereinbarung in Nr. 28.3 (i) auch Bestand, wenn der Ausschluss des AGB-Rechts in Nr. 28.3 (v) unwirksam sein sollte, da die Schiedsklausel eine aus sich heraus eigenständige, verständliche Regelung darstelle.

 

Die Entscheidung eines Schiedsgerichts, das die beschränkte Rechtswahl für wirksam halte, könne von den ordentlichen Gerichten nur dann aufgehoben werden, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs aufgrund der Nichtanwendung der AGB-Vorschriften zu einem Ergebnis führen würde, das mit dem „ordre public“, der öffentlichen Ordnung als Korrektiv, unvereinbar wäre. In diesem Fall wären Anerkennung bzw. Vollstreckung des Schiedsspruches zu versagen. Das käme zum Beispiel in Betracht, wenn das Schiedsgericht eine vertragliche Regelung für wirksam hielte, deren Zustandekommen sich nicht mehr als Ausdruck vertraglicher Selbstbestimmung begreifen ließe oder die Regelung zu schlechthin nicht mehr tragbaren Vertragsfolgen führen würde. Zum hierbei anzulegenden Maßstab äußert sich der BGH leider (noch) nicht. Anzunehmen ist allerdings, dass der Spielraum des „Zulässigen“ relativ großzügig bemessen ist. 


Fazit und Auswirkungen auf Praxis

Legt diese Entscheidung des BGH nahe, dass eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts in Kombination mit dem Ausschluss der AGB-Kontrolle rechtlich tragfähig ist und gerichtlicher Kontrolle standhalten kann?

 

Der Beschluss verdeutlicht, dass es grundsätzlich möglich ist, per Schiedsvereinbarung bei der Rechtswahl die Vorteile des deutschen Rechts zu nutzen und zugleich das Risiko einer undurchsichtigen und einzelfallabhängigen Anwendung des AGB-Rechts zu vermeiden. Konkret stellt der BGH klar, dass die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung unabhängig von der Wirksamkeit weiterer vertraglicher Regelungen - wie dem Ausschluss der AGB-Kontrolle der §§ 305 ff. BGB – zu beurteilen ist. Diese Entscheidung ist zu begrüßen, da sie mehr Rechtssicherheit schafft und Unternehmen bei der Wahl deutschen Rechts größere Gestaltungsspielräume eröffnet. Sie dürfte dazu beitragen, dass Schiedsvereinbarungen mit begrenzter Rechtswahl für Unternehmen attraktiver werden, da ein Ausschluss des AGB-Rechts nun wesentlich rechtssicherer möglich ist.​

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Mario Schulz, MA (Durham)

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